Veröffentlicht am 21. Oktober 2025
Während ein paar wackere Abgeordnete in den letzten Wochen des vorherigen Bundestages noch versuchten, ein AfD-Verbotsverfahren auf den Weg zu bringen, machte die Union, vor allem in Person von Markus Söder, Stimmung gegen eine Partei der demokratischen Mitte, die Grünen. Wobei Stimmung schon geschönt ist – es war eine abartig dreckige und verleumderische Kampagne, die der fränkische Wurstkönig da fuhr. Mit Erfolg. Robert Habecks Grüne hatten dem nichts entgegenzusetzen, die Luft war raus, Habeck ist – jedenfalls als Politiker – Geschichte.
Nun, da man sich „der neuen Konservativen“ entledigt hat, meint man in der Union offenbar, sich der AfD widmen zu können. Nicht aber etwa durch Unterstützung des angestrebten Verbotsverfahrens. Man hat sich wohl entschieden, sie inhaltlich zu stellen – indem man ihre Positionen, ihre Rhetorik und damit ihr menschenverachtendes Zerrbild von diesem Land übernimmt und es weiterzeichnet.
Man hätte meinen können, die Stadtbild-Aussagen von Friedrich Merz wären ein Ausrutscher gewesen – ein unüberlegter Spruch eines bald 70-jährigen Mannes aus dem Sauerland. Es war ja nicht die erste Aussage dieser Art. Aber inzwischen wissen wir, dass es kein Versehen war, sondern eine bewusste Grenzverschiebung.
Anfang 2024 waren Millionen Menschen auf der Straße, um gegen die Remigrationsfantasien der AfD und verbündeter Nazis zu protestieren. Nebenbei bemerkt: Das war die erste Demo, auf der ich in meinem Leben selbst war, weil ich nicht nicht hingehen konnte. Allgemein bin ich abgestumpft, was politische Rhetorik angeht, aber damals war für mich eine rote Linie überschritten, und ich wollte zumindest dazu beitragen, zu zeigen, dass wir als Gesellschaft nicht komplett den Verstand verloren haben.
Gleichwohl kann ich das Kalkül der Union in der neuerlichen Eskalation nachvollziehen. Ich sehe auch die Zielgruppe, die wohl eine große Schnittmenge mit dem Wählerpotenzial der AfD haben wird – aber nicht nur. Deutsche Großstädte sehen rund um ihre Bahnhöfe frappierend anders aus, als es Menschen vom Land (und auch aus den besseren Vierteln jener Städte) gewohnt sind. Dass wir hier als Gesellschaft Aufgaben haben, die es zu lösen gilt – also insbesondere Armut und ihre Effekte –, ist also unbestritten.
Was Merz dann aber – offenbar ganz bewusst und gezielt – getan hat, ist unverzeihlich. Die sprachliche Ungenauigkeit meint nun alle Menschen mit, die nicht ins Klischeebild des Deutschen (blond, blauäugig, weiß) passen. Dass dies Millionen Deutsche und auch viele Nichtdeutsche mit ganz „normalen“ Lebensläufen und wichtigen Funktionen in unserem Land (be-)trifft, nimmt er in Kauf. Dass niemand von diesen Menschen ausreisepflichtig ist oder qua Grundgesetz werden kann – geschenkt.
Wichtig scheint nur, das diffuse und von der AfD über zehn Jahre bespielte Gefühl der Überfremdung, des Bevölkerungsaustauschs, das bei Millionen konservativer und/oder ländlicher Deutscher vorhanden scheint, zu bedienen.
Das ist schäbig, widerlich – eines Kanzlers unwürdig.