Veröffentlicht am 19. Mai 2025
David Tielke hat ein interessantes Video mit dem Titel „Das nahe Ende einer Ära für Softwareentwickler“ veröffentlicht:
Ich glaube, ich bin David noch nie begegnet, was vermutlich aber auch dafür spricht, wie groß und vielfältig die deutsche Entwickler-Community einmal gewesen ist. Denn ich bin seit 2009 regelmäßig auf (Un-)Konferenzen unterwegs gewesen. Der frühere .NET Open Space und spätere Developer Open Space in Leipzig war bspw. ein Pflichttermin.
Persönlich habe ich dabei immer Formate bevorzugt, die ohne frontale Vorträge auskommen – zum einen, weil in den Diskussionsrunden der frühen Open Spaces in Leipzig oder Karlsruhe bspw. der Austausch zwischen den Teilnehmenden stärker ausgeprägt war als anderswo und es so viel leichter war, auch mal mit anderen Leuten ins Gespräch zu kommen.
Zum anderen, weil mir persönlich der Sprecher-Wanderzirkus beim klassischen Konferenzformat noch nie zugesagt hat (die Schnittmenge zwischen kommerziellen und Community-Konferenzen ist hier meines Erachtens hoch). Ja, die Themen werden vorausgewählt und gruppiert usw. Aber in der Regel doch auch nur auf Basis von Abstracts. Wie viele Präsentationen werden dann noch mit der heißen Nadel vom Sprecher in der Nacht vorher im Hotel gestrickt? Wie viele Leute stammeln sich dann einen ab? Und welche Inhalte sind wirklich derart „unique“, dass sie nicht auch eine 10-minütige Google-Suche hätten gewesen sein können?
Das war mir den Aufwand dann selten wert. Gerade auch auf Konferenzen wie dem .NET Day Franken, auf dem ich auch ein paar Mal gewesen bin, hat es für mich nicht Klick gemacht. Noch eine Eigenart der Konferenzen ist nämlich, dass häufig ganze Entwicklerteams aus Unternehmen dahin geschickt wurden. Was für die Leute neben dem freien Tag den Vorteil hatte, unter sich bleiben zu können. Allgemein würde ich auch behaupten, dass ein relevanter Teil der Konferenzgänger:innen eher introvertiert ist, was interessante Gespräche bei Häppchen zwischen den Sessions nicht unbedingt fördert. Aus Perspektive der Sprecher:innen mag das anders sein – man kennt sich, man schätzt sich, man tauscht sich aus – und sieht sich ein paar Wochen später in Projekten oder beim nächsten Event wieder. Dass da ein Gefühl von „Familie“ aufkommt, kann ich nachvollziehen.
Die von David ausgedrückte Aufbruchstimmung in der .NET-Community habe ich so tatsächlich auch erlebt. 2004 begann ich zu bloggen, 2006 wurde ich Microsoft MVP und besuchte die ersten User-Group-Treffen, 2009 war ich in Ulm bei meinem ersten Open Space und kurz darauf in Leipzig beim „großen Bruder“. Das waren augenöffnende Events, bei denen ich viel gelernt und viele interessante Leute kennengelernt und über die Zeit auch Freundschaften geschlossen habe.
Aber zur Wahrheit gehört auch, dass die Begeisterung im Lauf der Jahre abnahm. Irgendwann bin ich dann morgens für die Session-Planungen gar nicht mehr aufgestanden, weil mich die Themen mehrheitlich ohnehin nicht mehr interessierten. Spannend blieb der Austausch vor allem außerhalb der Sessions und die abendlichen Kneipenrunden.
Woran liegt das? Klar benennen kann ich es nicht. Aber eine Anekdote kommt mir in den Sinn: Letztes Jahr war ich noch einmal auf dem Open Space in Karlsruhe und saß in einer Session zum Thema Code-Qualität. Die Teilnehmer:innen sprachen dabei über Clean-Code-Prinzipien. Mein erster Gedanke war: Moment mal, das haben wir doch 2009 schon alles durchgekaut. Bis eine Teilnehmerin erwähnte, dass sie jetzt auch schon seit vier Jahren mit dem Studium fertig sei. Das war dann der Punkt, an dem mir klar wurde: Ja, du wirst alt. Face it!
Und warum funktioniert die Community nun mit der nächsten Generation nicht mehr wie „damals“? Ich kann nur spekulieren. Die Pandemie-Jahre haben sicher ihren Beitrag geleistet – auch zum Sterben vieler einst regelmäßiger Meetups, hier bei uns in München beispielsweise. Andere Formate wie YouTube oder Twitch sind wichtiger geworden. Und mit all den KI-Tools ist auch das Lernen und Einarbeiten in neue Themen heute so einfach wie nie zuvor. Sich deshalb auf Basis eines Titels in einen Vortrag auf einer Konferenz setzen, statt Kagi, ChatGPT, Claude o. Ä. zu fragen? Würde ich auch nicht machen.
Aber ja: Es ist jammerschade um den persönlichen Austausch.
PS: Im September veranstalten wir in Düsseldorf den Developer Walk. Wir, das ist eine Gruppe aus (ehemaligen) Entwickler:innen, die sich über die Jahre in der Community kennen- und schätzengelernt haben und die sich einmal im Jahr irgendwo in Deutschland zum Quatschen an der frischen Luft (und abends an der Bar) trifft. Neue Teilnehmer:innen sind herzlich willkommen!