Textbasiertes Social Media ist tot. Schade eigentlich.

Veröffentlicht am 18. August 2024

Am Anfang war Twitter. Irgendwann Ende 2008 muss ich Wind davon bekommen haben, dass sich mehr und mehr der Diskussionen in meiner kleinen deutschsprachigen Tech-Bubble nicht mehr in den Kommentarspalten der Blogs, sondern zunehmend dort abzuspielen schienen. Im Februar 2009 legte ich mein Konto dort an, sammelte im Lauf der Zeit über 2.000 mehr oder minder reale und aktive Follower und verbrachte suchtartig viel zu viel Lebenszeit dort. Tatsächlich lernte ich über Twitter aber sogar mehr und mehr Menschen in Fleisch und Blut kennen. Sei es bei einem Format wie dem "Twabendessen", was sich Ende der Nullerjahre in Nürnberg etablierte, oder auf Software-Konferenzen, wo sich durch die virtuellen Bekanntschaften nun Anknüpfungspunkte für sinnvolle Gespräche im echten Leben boten. Twitter war somit lange Fluch und Segen zugleich für mich.

Das änderte sich, als Elon Musk die Plattform übernahm und tat, was ein faschistoider Clown wohl tun muss: er verwandelte sie in ein Irrenhaus. Auch zuvor gab es Tweet an Tweet persönliche Gutenacht-Wünsche neben Daesch-Enthauptungsvideos. Aber es gab seitens des Algorithmus keine Berührungspunkte, die verschiedenen Universen konnten parallel existieren. Seit Musks Übernahme und Umbau war es – jedenfalls für mich – nicht mehr möglich, einfach nur einer Auswahl an Leuten zu folgen, ihre Tweets zu lesen und mit ihnen zu interagieren. Beständig spülte es mir Dreck in die Timeline, den ich zwar nicht lesen wollte, über den ich mich aber zwangsläufig ärgern und aufregen musste. Das war das Prinzip, was man von Drecksblättern wie der Bild-Zeitung kennt: Was aufregt, klickt gut.

Also löschte ich im Herbst 2023 meinen Account und begann einen kalten Entzug. Überraschenderweise dauerte es nur wenige Tage und ich war durch mit dem Thema. Aber ich schaute mich natürlich nach Alternativen um. Bluesky schien vielversprechend, da quasi ein Klon einer Twitter-Version der ersten Jahre. Mastodon bekam auch Aufwind. Aber es wurde nicht wie früher, nicht hier und nicht da. Was primär daran lag, dass nicht alle umzogen und ich mit diesem Social-Media-Entzug wohl auch nicht allein war, jedenfalls nicht in meiner Tech-Blase aus Millennials und Gen-X.

Ein paar große Accounts zogen jedoch mit und noch etwas wurde für mich sichtbar: So sehr ich den rechten Abschaum verabscheue, so sehr nerven mich heute die linken Weltuntergangs-Apologeten, deren Online-Daseinsberechtigung genauso darauf fußt, Reaktionen beim Publikum hervorzurufen.

Was bliebe noch? LinkedIn. Tatsächlich finden sich dort aus meinem Bläschen fast alle früheren Kontakte und es wäre eine gute Basis, um miteinander in Kontakt zu bleiben bzw. die besagte Basis für Gespräche auf Konferenzen oder ähnlichen Formaten zu legen. Aber LinkedIn hat eine Schlagseite bekommen, die auf andere Art für mich schwer zu ertragen ist. Da sind die Werkstudenten, die nach einem sechsmonatigen Praktikum bei Microsoft Abschiedsberichte verfassen, die sich danach anhören, als hätten sie gerade zu Fuß die Welt umrundet und wären danach noch zum Mond geflogen. Da ist all die verlogene Business-Scheiße, in der sich jeder im besten Licht zu präsentieren versucht. Und natürlich sind da die Berater, Recruiter und Sales-Menschen aller Art, die verzweifelt versuchen, Umsatz zu generieren.

Alles nicht meins. Daher habe ich mich erinnert, was für mich auch vor Twitter schon funktionierte: mein Blog. Hier gibt es nun einen neuen Bereich "Gedanken", in dem ich bewusst auf Deutsch alles reinkippen kann, was mir in den Sinn kommt. Ohne Zeichenbeschränkung und zensierende Moderation. Wer Lust hat, kann ja meinem Mastodon, Bluesky-, oder LinkedIn-Profil folgen und sich, so es der jeweilige Algorithmus zulässt, über Updates informieren lassen. Denn dafür werde ich sie wohl noch eine Weile nutzen.

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